Lehrer sein

In letzter Zeit denke ich wieder mehr darüber nach, warum ich das tue, was ich tue und warum ich es so tue, wie ich es tue.

Was will ich mit meinem Unterrichten?

Was sind Situationen, die mich reizen? Was sind Situationen, in denen ich eine besondere Sinnhaftigkeit empfinde. Denn das ist es doch, was ich mit meiner Arbeit suche, Sinnhaftigkeit.

Es gibt Dinge, die mich noch nie besonders interessiert haben, z.B einen Schüler fit zu machen für Jugend musiziert. Ehrlich gesagt habe ich noch nie einen Schüler fit gemacht für Jugend musiziert. Das ist fast ein bisschen peinlich. Aber es interessiert mich einfach nicht. Wettbewerb interessiert mich nicht besonders.

Wenn ich allerdings eine Schülerin hätte, die unbedingt zu Jugend musiziert wollte und sich ernsthaft darauf vorbereiten wollte, würde ich mitmachen und sie so gut ich könnte und bestimmt mit viel Freude unterstützen.

Vielleicht ist das das Entscheidende. Den Schüler in dem, was er will unterstützen, ihm helfen herauszufinden, was er möchte mit diesem Instrument, herauszufinden, was er lernen möchte, was er erleben möchte.

Manchmal ist es ganz einfach das Tor zur Musik, das ich mithelfe zu öffnen. Es ist berührend zu sehen, wie eine kleine Schülerin von der Musik berührt wird, wie sie glücklich und stolz ist, selber Musik zu machen.

Es ist auch berührend, eine alte Dame zu sehen, die sich vielleicht einen alten Kindheitswunsch erfüllt mit diesem Unterricht und vielleicht irgendwann mal was ganz Klitzekleines von Schubert spielen will.

Natürlich habe ich auch selber Ideen, was jemandem vielleicht gut tun könnte, was vielleicht gut wäre zu lernen. Bei vielen jüngeren Schülern geht es darum, das Lernen überhaupt zu lernen, kleine Schritte zu machen, mit der eigenen Ungeduld klarzukommen, Frustrationstoleranz zu entwickeln.

Und was möchte ich beibringen? Was ist mir beim Erarbeiten von Musikliteratur wichtig?

Natürlich möchte ich den Schülern Technik und Stil einer bestimmten Musik vermitteln. Und doch sind die Anforderungen, die diese Musik per se vorzugeben scheint und die ich im Falle der Jugend Musiziert-Vorbereitung sehr sehr gut beachten müsste, für mich nicht das Maßgebliche beim Unterrichten.

Der Schüler ist die Methode.

Diesen für mich ganz zentralen Satz hat der bedeutende Klavierpädagoge Peter Heilbut gesagt.

Ja, der Schüler steht im Mittelpunkt, von ihm hängt ab, was ich unterrichte und wie ich es unterrichte.

Die eine Schülerin kann ich vielleicht einfach darauf hinweisen, die Forte-Stelle doch ein bisschen kräftiger zu spielen.

Bei einem anderen Schüler, der vielleicht zurückhaltender oder ängstlicher ist, kann Laut-Spielen auch ein ganz sensibles Thema sein. Dann lasse ich das Thema vielleicht sogar zuerst einmal weg. Und wenn ich es angehe, tue ich es in dem Bewusstsein, dass es für den Schüler mit Überwindung verbunden ist, ja mit einem Erweitern seiner eigenen Grenzen, also mit echter Entwicklung und das wahrscheinlich nicht nur am Klavier.

Vielleicht finde ich auch, dass das ausgeprägte Rubato-Spielen zu dem Schubertwalzer eigentlich nicht passt. Aber während ich mit dem einen Schüler versuche, Schuberts Stil an der Grenze zwischen Klassik und Frühromantik nachzuspüren, bin ich bei einer anderen Schülerin so glücklich darüber, dass sie etwas ausdrücken will, dass sie ihr eigenes Empfinden in etwas Hörbares umwandeln will, dass ich sie einfach gewähren lasse.

Klavierunterrichten und Entwicklung-Begleiten lassen sich nicht voneinander trennen. Für meinen Unterricht ist mir das Zweite das Wichtigere.

Ein Kommentar zu „Lehrer sein

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